Mehrfamilienwohnhaus Platz

Auftraggeber:
privat

Leistungen:
Plangutachten
LPH 1-9 HOAI
EnEV-Berechnungen
Dampfdiffusions-berechnungen
Energiekonzept

Planung:
Plangutachten 1993
Planung ab Mitte 1994

Realisierung:
04/1996 bis 12/1996

Daten:
Beheiztes Volumen xxx m³
Gebäudenutzfläche 695 m²

Energiestandard:
Niedrigenergiehaus
Primärenergiebedarf xx kWh/m²a
Heizwärmebedarf xx kWh/m²a

Projektbeteiligte:
IB Häussler
IB Fixmer

 

Ausgangslage:
Anstelle des Mitte der 80er Jahre abgebrochenen ehemaligen Meierhofes gähnte auf die Dauer von über 10 Jahren ein gewaltiges städtebauliches Loch nördlich der Kirche, dem Mittelpunkt des am westlichen linken Steilrand der Iller-Ebene gelegenen Dorfes Martinszell im Allgäu. Ende 1993 entschlossen sich die Eigentümer des Grundstückes unter dem Druck der Gemeinde, dieses Grundstück wieder zu bebauen. Es sollten Hotelappartements für den im Familienbesitz befindlichen Landgasthof und eine zur Eigennutzung vorgsehene große Wohnung im Dachgeschoß neben dem bereits zum Betrieb gehörenden, Mitte der 70er Jahre ausgebrannten und wieder aufgebauten Fachwerkhaus entstehen. Ein unter drei Architekten ausgelobtes Plangutachten ergab eine Entscheidung für den Entwurf des Büros Michael Felkner. Die anschließende Weiterentwicklung und Durcharbeitung des Entwurfes zeigte, daß die notwendige, relativ kostenintensive Ausstattung der Hotelappartements in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Ertrag derselben stehen würde. Eine alternative Planung sah dann eine Mischung von Wohnen und Dienstleistung bzw. Gewerbe vor, bis letztlich doch mangels geeigneter Interessenten auf einen regulären Wohnungsbau zurückgegriffen werden mußte.

Konzept:
Die städtebauliche Situation ist recht eindeutig: Das Gebäude ist an der gleichen Stelle situiert wie der Vorgängerbau, allerdings mit etwas geringeren Baukörperabmessungen und die Lücke zum benachbarten Fachwerkhaus wurde zur Aufnahme des Treppenhauses aufgeweitet. Damit wurde der nördliche Kirchenvorplatz wieder räumlich gefaßt.Viel schwieriger gestaltete sich die Organisation von Wohnungen in dieser städtebaulich gleichermaßen wichtigen wie schwierigen Situation. Der an das Gebäude heranreichende Kirchenvorplatz ist schließlich Straße und Versammlungsplatz zugleich. Dies hatte zur Konsequenz, daß die Wohnungen soweit als möglich von diesem Platz aus erschlossen werden, was den angenehmen Nebeneffekt mit sich bringt, daß der typische Eindruck einer Eigentumswohnanlage vermieden wird. Hätte der Bauherr sich mit lauter gleich großen Maisonette-Wohnungen zufrieden gegeben, wären bei der Grundrißorganisation weiter auch keine großen Probleme zu bewältigen gewesen. Doch die Aufgabe lautete angesichts eines totalen Überangebots an Eigentumswohnungen in der Region, möglichst unterschiedliche Wohnungsgrößen zu einem ansonsten nur im sozialen Wohnungsbau üblichen niedrigen Preis herzustellen. Ein Achsraster von 4,0 m ermöglicht neben einem statisch und haustechnisch durchgängigen, kosten-günstigen System die geforderte Variabilität bei den Wohnungsgrößen. Durch die extreme Hanglage ergeben sich im Untergeschoß für die 8 Wohnungen einfach zu erschließende 8 PKW-Stellplätze und 8 großzügige Abstellräume. Die Haustechnikräume sind im UG des Treppenhauses untergebracht. Im Erd- und Obergeschoß befinden sich dann zwei Appartements von je ca. 40 m², zwei Maisonetten mit 78 m² und drei Wohnungen mit rund 87 m², jeweils als durchgesteckte Grundrisse mit innenliegenden Naßzellen organisiert. Das Dachgeschoß bleibt der ca. 200 m² großen Wohnung für den Bauherrn vorbehalten. Hier boten sich weitere Schwierigkeiten: Einerseits sollte die ruhige Dachlandschaft des Ortes nicht durch störende Dachaufbauten gestört werden, andererseits mußte die Wohnung über die Dachfläche belichtet werden und außerdem galt es, einen 24 m langen Grundriß sinnvoll zu gestalten. Drei Dachloggien mit beweglichen Glasflächen in der Dachebene sorgen für eine direkte Belichtung sämtlicher Aufenthaltsräume und schaffen die notwendige Zonierung. Zusätzliche Belichtung erfahren die Räume durch Kniestockverglasungen und Wandoberlichter, die wiederum mit dem Firstoberlicht über dem axial unter dem First angeordneten Erschließungsflur in Verbindung stehen. Das Spiel des Lichtes ist es, das zusammen mit der Bepflanzung der Loggien und der Möblierung den fast schon sakralen Charakter des Raumes unter dem Dach mildert.Lamellen vor den Kniestockfenstern im DG und verstellbare Lamellen an den Schiebeläden vor den Fenstertüren regulieren Ein- und Ausblickmöglichkeiten in den Wohnungen und dienen dem Wetter-schutz. Die großen Scheunentore der Bauernhöfe und die Lamellenfenster der Heustadel zum Vorbild, gliedern die auf die Horizontalen des benachbarten Fachwerkhauses abgestimmten Laufschienen die Fassaden. Das Raumgerüst der Balkone nimmt sich die traufseitigen Gerüstbalkone der alten Allgäuer Bauernhöfe zur Trocknung von Kräutern zum Vorbild.Kaum erwähnenswert ist, daß auch die unbehandelten Lärchenbretter der Fassade, die im bewußten Gegensatz zu den hell lackierten Fenstertüren stehen, in ihren ursprünglichen Form unmittelbar in der Nachbarschaft vorzufinden sind.Weniger der Kostendruck, sondern mehr das dadurch provozierte Spiel mit den Materialien, mit den Kontrasten, bestimmen das Erscheinungsbild der Eigentumswohnungen: Verputzte Außenwände stehen neben schalungsrauh betonierten Wohnungstrennwänden, rohe Betonfertigteildecken neben glatten Gipskartonwänden, raumhohe Türzargen aus sichtbar belassenem Holzwerkstoff (MDF) neben lackierten Türblättern, rauhe Spanplatten (OSB) als Treppengeländer neben lasergeschnittenen Stahl-wangen. Das über raumhohe Fenstertüren hereinströmende Licht taucht das feine Parkett in einen hellen, warmen Glanz.Kühler dagegen ist die Sprache des sich ganz bewußt wie ein Keil zwischen Alt und Neu hineinschiebende Treppenhaus. Eigenständig und auf eigenen Füßen stehend, verbindet und trennt die vollkommen aus Stahl, Glas und Beton gefertigte Treppenanlage die beiden an ihren Giebelwänden aus Brandschutzgründen fast öffnungslosen Baukörper. Die massiven, aus den Wangen herauswachsen-den Geländer der Treppenläufe stehen auch hier wieder im Gegensatz zu den gläsernen Absturzsicherungen der Treppenpodeste, sodaß der Blickdurch die Baulücke wie ehedem erhalten bleibt. Die Gläser der Außenhaut scheinen wie Segel an den Stahlseilen zu schweben und die etwas frech aus der Baulücke herausschießende Dachfläche aus Wellblech signalisiert, wo sich hier der Eingang befindet.Selbstverständlich sind die Bauteile des Treppenhauses nur an den Wohnungseingangstüren mit den flankierenden Baukörpern verbunden.Der kompakte Baukörper, wenige tragende Wände, rationelle Deckenspannweiten, Fertigteile, insbesondere die komplette Vorfertigung der Dachkonstruktion trugen dazu bei, daß ein Kostenniveau wie im Sozialen Wohnungsbau erreicht wurde – bei hohem Ausbaustandard und niedrigen Unterhaltskosten. Die Reduktion der beheizten Flächen allein auf die Wohnfläche, die 10 cm dick mit Wärmedämmung eingepackten Außenwände aus 24 cm Ziegel und die 20 cm Wärmedämmung in der Dachfläche bewirken nicht nur einen niedrigen Energieverbrauch, der zudem durch die Ausnutzung der Sonnenenergie zur Warmwasserbereitung weiter verringert wird, sondern schaffen auch ein über die Jahreszeiten hinweg ausgeglichenens Raumklima. Die Dachloggien dienen sowohl zur passiven Sonnenenergienutzung als auch zur notwendigen Belüftung im Sommer, sodaß auch unterm Dach stets wohlige Temperaturen herrschen.Das fast städtisch anmutende Maß der Bebauung des Grundstücks hatte nicht nur zur Folge, daß ein Baugrubenverbau und eine Baustelleneinrichtung auf engstem Raum notwendig wurden, sondern daß die Architekten sich ausführlich mit dem Thema Vorfertigung beschäftigten. Nicht nur bei sämtlichen Betonarbeiten (Fertigteile mit zusätzlicher Rollbewehrung), sondern bei der gesamten Dachkonstruktion und Teilen der Fassadenkonstruktion galt die kosten-, flächen- und zeitsparende Devise der Vorfertigung und just-in-time-Anlieferung.Klar, daß es bei so vielen Neuerungen in diesem verträumten Dorf großes Murren und viel Skepsis gab. Angefangen beim Bauherrn, der sich ursprünglich eine Wohnanlage im modern-alpenländischen Stil vorstellte über die beteiligten Handwerker, die sich nur durch die fundierte Material- und Praxiskenntnis der Architekten überzeugen ließen, bis hin zur örtlichen Bevölkerung, die sich nur zäh von ihrer zunächst ablehnenden Haltung entfernt und wegen des allenthalben wahrnehmbaren Interesses von Menschen aus der Stadt nun beginnt, sich ernsthaft mit dem einerseits so Neuen und andererseits doch so Vertrauten auseinanderzusetzen.

Sonstiges:
Das Bauwerk wurde für den DEUBAU-Preis 1998 vorgeschlagen und in vielen Publikationen veröffentlicht. Obwohl das Gebäude bereits vor fast 20 Jahren geplant wurde, entspricht es den heute gültigen energetischen Standards.

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